- Wilhelm Müller (Dichter)
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Ruhestätte auf dem neuen Begräbnisplatz in Dessau
Johann Ludwig Wilhelm Müller (* 7. Oktober 1794 in Dessau; † 1. Oktober 1827 ebenda) war ein deutscher Dichter. Er war der Vater des Sprachforschers Friedrich Max Müller.
Inhaltsverzeichnis
Biografie
Wilhelm Müller war das sechste Kind des Schneiders Christian Leopold Müller und seiner Frau Marie Leopoldine, geborene Cellarius. Seine Geschwister starben früh, 1808 verlor er auch seine Mutter. Sein Vater, der durch längere Krankheit immer wieder in Finanznot war, heiratete 1809 die wohlhabende Witwe Marie Seelmann, geborene Gödel.
1812 begann Wilhelm Müller ein Studium der Philologie in Berlin, meldete sich aber im Februar 1813 als Freiwilliger zum preußischen Heer und nahm an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil. 1814 wurde er zum Leutnant ernannt. Ab 1816 besuchte er literarische Salons in Berlin und lernte dort unter anderen Gustav Schwab, Achim von Arnim, Clemens Brentano und Ludwig Tieck kennen. In die Dichterin Luise Hensel war er unglücklich verliebt. 1817/18 unternahm er eine Bildungsreise nach Italien.
Im April 1819 wurde er zum Gymnasiallehrer in seiner Heimatstadt Dessau ernannt, später zum Herzoglichen Bibliothekar.
Am 21. Mai 1821 heiratete er Adelheid Basedow, eine Enkelin des Reformpädagogen Johann Bernhard Basedow. Mit ihr hatte er zwei Kinder, die am 20. April 1822 geborene Auguste und den am 6. Dezember 1823 geborenen Friedrich Max.
Vom 1. bis 3. Juli 1824 nahm er am Musikfest zur „Säcularfeier“ Klopstocks in Quedlinburg teil, das von Quedlinburger Bürgern initiiert worden war, um für Friedrich Gottlieb Klopstock ein Denkmal zu errichten. Das Musikfest, auf dem seine Frau Adelheid die Altpartie sang, wurde von Carl Maria von Weber geleitet. Über die Feier berichtete er in Brockhaus’ Literarischen Conversations-Blatt. Das Denkmal von Schinkel und Tieck wurde am 7. Juli 1831 in der Quedlinburger Parkanlage Brühl eingeweiht.
Im August 1824 wurde Müller zum Hofrat ernannt. Im März 1826 erkrankte er an Keuchhusten. Trotz mehrerer Kuraufenthalte ging es mit seiner Gesundheit stetig bergab und er starb im folgenden Jahr im Alter von nur 32 Jahren an einem Herzinfarkt.
Müller wurde durch seine gesellschaftskritischen deutschen Volkslieder bekannt. Er setzte sich für den Unabhängigkeitskampf der Griechen gegen die türkische Besatzung ein – daher sein Beiname „Griechen-Müller“, obwohl er Griechenland nie besuchte.
Er konnte sehr gut Englisch lesen und war unter anderem von Lord Byron beeinflusst, der am griechischen Unabhängigkeitskampf teilgenommen hatte.[1]
Müller war als Herausgeber und Redakteur unter anderem für die im Verlag Brockhaus erschienene Bibliothek deutscher Dichter des siebzehnten Jahrhunderts tätig. Die Bibliothek wurde von Karl August Förster weitergeführt und mit Band 14 beendet. Außerdem arbeitete Müller für verschiedene literarische Zeitschriften, darunter das Literarische Conversationsblatt und Hermes.
Wilhelm Müller war Freimaurer. Im Juli 1820 wurde er in die Freimaurerloge Minerva zu den drei Palmen in Leipzig aufgenommen. [2]
Der literarische Nachlass Müllers wird in der Anhaltischen Landesbücherei Dessau verwahrt.
Wirken
Bereits zu seinen Lebzeiten wurde Müller oft als mittelmäßiger Autor der Romantik abgetan [3]; die Kritik hält bis heute an.[4] Nach neueren Erkenntnissen war dies allerdings ein Weg der Zensur, unliebsame Autoren zu ersticken, bevor sie populär wurden. Tatsächlich war er darin ein Meister, stark gesellschaftskritische Äußerungen zwischen den Zeilen von scheinbaren Liebesliedern zu verpacken. Beispiel dafür sind die von Schubert vertonten Zyklen Die schöne Müllerin und Winterreise. Einsamkeit und Erstarrung des Individuums in der Epoche der Restauration unter der Rahmenhandlung einer unerfüllten Liebe sind das Thema. Man kann ihn durchaus als einen Vorläufer des Vormärz sehen.
Werke
- deutsche Volkslieder: Waldhornistenlieder, u.a. Wanderschaft, Der Lindenbaum, Im Krug zum grünen Kranze
- Textvorlagen für die beiden Liederzyklen Die schöne Müllerin und die Winterreise von Franz Schubert
- Textvorlage für Vineta, von Johannes Brahms 1860 für sechsstimmigen Chor mit Klavierbegleitung vertont (op. 42 Nr. 2)
- Lieder der Griechen, 5 Bände; sie machten ihn als „Griechen-Müller“ bekannt.
- Gedichte: Erstlinge aus Luisium, Der Rosenstrauch, Der Lindenbaum und andere
- Frühlingskranz aus dem Plauenschen Grunde bei Dresden, 1824
- Frühlingstraum, 1823
Franz Schuberts Vertonungen
Der heutige Nachruhm Müllers beruht vor allem auf seinen Gedichtzyklen Die schöne Müllerin und Winterreise. Sie wurden – wie auch zwei Gedichte, die er für sein letztes Werk Der Hirt auf dem Felsen heranzog – von Franz Schubert vertont und zählen in dieser Form zu den bekanntesten Liederzyklen [5] überhaupt. Müller hat jedoch von diesen Vertonungen nie erfahren, obwohl Schubert die „Müllerin“ schon 1823 vollendete, während die Vertonung der „Winterreise“ erst 1827 erfolgte, also in Müllers Todesjahr und ein Jahr vor Schuberts eigenem Tod.
Wilhelm-Müller-Preis
Der Wilhelm-Müller-Preis wird seit 1996 im Regelfall alle zwei Jahre durch das Land Sachsen-Anhalt im Wechsel mit dem Friedrich-Nietzsche-Preis als Förderpreis für den literarischen Nachwuchs verliehen.
Siehe auch
Literatur
- F. Max Müller: Müller, Wilhelm. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 22, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 683–694.
- Hans-Wolf Jäger: Müller, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, S. 320–322.
- Otto Hachtmann: Wilhelm Müller. In: Mitteldeutsche Lebensbilder, Band 2: Lebensbilder des 19. Jahrhunderts; Magdeburg 1927; S. 151–170.
- Norbert Michels (Hrsg.): Wilhelm Müller, eine Lebensreise. Böhlau, Weimar 1994, ISBN 3-7400-0960-8 (Ausstellungskatalog der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau zum 200. Geburtstag).
- Maria-Verena Leistner (Hrsg.): Wilhelm Müller. Werke, Tagebücher, Briefe, 5 Bände und ein Registerband; Berlin: Mathias Gatza, 1994; ISBN 3-928262-21-1.
- Erika von Borries: Wilhelm Müller – Der Dichter der Winterreise. Eine Biographie; München: C.H.Beck, 2007; ISBN 978-3-406-56212-9 (mit 2 Audio-CD).
- Eugen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter A. Binder: Internationales Freimaurerlexikon. Überarbeitete und erweiterte Neuauflage der Ausgabe von 1932; München 2003; ISBN 3-7766-2161-3.
Weblinks
Wikisource: Wilhelm Müller – Quellen und Volltexte
Wikiquote: Wilhelm Müller – Zitate
Commons: Wilhelm Müller – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
- Literatur von und über Wilhelm Müller (Dichter) im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von Wilhelm Müller (Dichter) bei Zeno.org
- Werke von Wilhelm Müller (Dichter) im Projekt Gutenberg-DE
- Lieder von Wilhelm Müller auf Volksliederarchiv.de
- Müller: Über die neueste lyrische Poesie der Deutschen, 1827; im Projekt „Lyriktheorie“
- Internationale Wilhelm-Müller-Gesellschaft
- Wilhelm Müllers Gedicht „Der Lindenbaum“ (Am Brunnen vor dem Tore) in Illustrationen auf Postkarten
- Wilhelm Müllers Gedicht „Ungeduld“ (Ich schnitt es gern in alle Rinden ein) in Illustrationen auf Postkarten
- ZeitZeichen: 30. September 1827: Todestag des Dichters Wilhelm Müller (mp3)
- Die Gedichte auf zgedichte.de
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Siehe dazu die Biografie von Harro Paul Harring.
- ↑ Eugen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter Binder: Internationales Freimaurerlexikon, München 2003, ISBN 3-7766-2161-3
- ↑ So hat z.B. Johann Wolfgang von Goethe in einem am 27. Sept. 1827 geführten Gespräch mit Eckermann im Zusammenhang mit W. Müller von „Lazarettpoesie“ gesprochen.
- ↑ Fritz Martini: Deutsche Literaturgeschichte; Köln: Komet, 2003 (= Stuttgart: Kröner, 1991); ISBN 3-89836-381-3; S. 349–350.
- ↑ Jeweils ein einziger der Liedertexte dieser umfangreichen Zyklen ist dabei so populär geworden, dass - anders als bei Schubert - volksliedhafte Vertonungen daraus entstanden sind (gemeint sind die Texte „Das Wandern ist des Müllers Lust ...“ bzw. „Am Brunnen vor dem Tore da steht ein Lindenbaum ...“).
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